Raus aus dem Alltags-Trott – Wir suchen die Ästhetik im Kleinen!
Interview mit Heidi Scholz und Reinhard Fiedler
Das Architektenpaar Heidi Scholz und Reinhard Fiedler im Gespräch über ihr neuestes Baby „aus dem hinterland“, einem Kaufladen der besonderen Art mitten in der Innenstadt von Freising.
Heidi, Reinhard, wer von Euch beiden hatte denn die Idee zu „aus dem hinterland“?
Heidi lächelt:Ich habe das auf uns zukommen sehen. Wenn man so überlegt, was man sich für dieses tolle Gebäude vorstellt und wünscht, wenn die Sanierung fertig ist, da war mir klar: Das müssen wir selbst machen. Diese Idee hat uns beiden sofort gefallen: Einen Laden zu eröffnen, in dem ich auch selbst immer wieder gerne einkaufen würde. In dem ich die Lebensmittel finde, die ich gerne konsumiere, die mich ansprechen, die schmecken, die meinen – ich nenne es mal „Küchen-Alltags-Trott“ perfekt ergänzen oder besser: vielfältiger machen. Und ich wollte endlich eine Anlaufstation für Geschenke für jeden Anlass: für mich, für Freunde, Familie, Mitbringsel, kleine Aufmerksamkeiten. Oder einfach auch nur zum regelmäßig Stöbern und Probieren.
Zustimmung von Reinhard: Ja, wir sind immer tiefer eingestiegen in diese Suche nach hochwertigen Produkten aus kleinen, feinen Manufakturen. Wobei hochwertig für uns nicht teuer bedeutet, sondern Preis und Qualität stehen in einer fairen und ehrlichen Relation. Wir haben dann in der ganzen Vorbereitungszeit derart tolle Waren gefunden, dass wir oft ganze Abende damit verbracht haben, uns weiter in das ganze Thema einzuarbeiten. Wir haben unter den Herstellern so viele engagierte Leute kennengelernt, die uns wirklich inspiriert haben.
Ihr seid in unterschiedlichen Städten gewesen, in urbanen Zonen wie in Kopenhagen, aber auch in kleinen Weilern in Italien, in Berlin ebenso wie bei uns vor der Haustür, eben im Hinterland von München, könnt Ihr zusammenfassen, was Euch besonders gefallen hat?
Reinhard: Wir mögen diese Ästhetik in den kleinen Dingen. Wenn etwas Gutes auch noch ansprechend und zeitgemäß verpackt ist. Wenn etwas eine klare Form und Linie hat, innen wie außen.
Heidi: Mir gefällt am meisten: die Leute, die wir getroffen haben, die meinen es echt ernst. Wenn die zum Beispiel über Nachhaltigkeit reden, dann ist das nicht ein schönes Stichwort, das heute einfach sein muss, sondern das ist eine tiefe innere Überzeugung und am Ende einfach keine Frage. Oder dass ein Lebensmittel logischerweise gesund ist und dass darauf geachtet wird, was drin ist. Ja, das fand ich total gut, dass wir über manche Sachen gar nicht reden müssen, weil sie einfach selbstverständlich sind.
Wie schwer war es denn irgendwann, sich auf dieser Recherchetour zu entscheiden?
Heidi: Sehr schwer! Es gibt wirklich sehr viele ganz wunderbare Produkte und wir haben am Ende eine Auswahl getroffen, von der wir glauben, das sie stimmig ist. Wir haben uns gute Lebensmittel ausgesucht, eine kleine Kollektion von Mode und Beauty und es gibt noch ein Segment, das würde ich mal mit Home & Living überschreiben. Dort findet sich zum Beispiel ein Feuerlöscher, der ist so schick, da vergisst Du glatt, wozu das Teil eigentlich gemacht ist. Das Sortiment ist natürlich nicht fix, das wird sich immer wieder ändern. Denn die meisten Produkte werden ja saisonal hergestellt, im Herbst gibt es also andere Produkte wie im Frühjahr. Und natürlich ist unsere Suche nach tollen Manufakturen noch nicht abgeschlossen.
Warum sollte es genau so etwas sein wie „hinterland“ in dem Baudenkmal aus dem 16. Jahrhundert, das Ihr saniert habt?
Reinhard: Aus der Archivrecherche wissen wir, dass in dem Haus über die Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg immer Kramer und Kaufläden ihre Waren angeboten haben. Es gab Milch, Mehl, Zucker, Kaffee – eben was die Freisinger immer so brauchten. Es wurde auf den persönlichen Kontakt zu den Kundinnen und Kunden geachtet, auf Qualität und irgendwie auch auf Unverwechselbarkeit. So eine Tradition finden wir fortsetzenswert. Ich hätte es nur schwer ertragen, wenn in das neu sanierte Einzeldenkmal mit so viel Charakter ein nichtssagender Allerweltsladen gekommen wäre. Das Haus hat nach dieser Nutzung verlangt.
Und wieso eigentlich „aus dem hinterland“?
Reinhard: Ach, weil doch jeder genug hat von gesichtslosen Innenstädten, in denen sich eine Filiale einer Kette an die andere reiht. Und weil eben bei uns im Hinterland auch so viel passiert. Die Leute sind kreativ, mutig, haben Charakter. Im Hinterland werden Ideen geboren, es gibt etwas, das über den bloßen Konsum hinaus geht. Das mögen wir und das passt zu uns.
Wird es Euer Sortiment denn trotz des schönen Ladens auch online geben?
Heidi: Ja, das finden wir wichtig. Unsere Welt ist digital und ohne einen Online-Shop geht es nicht. Auf der Homepage gibt es außerdem zusätzliche Informationen über unsere Manufakturen. Und unsere Idee ist, dass wir alle schon beim Stöbern und Lesen richtig Freude haben.