Torsten Pistol: Über die Kunst, zu leben und einen Fisch zu töten.

Aufgewachsen auf dem platten Land im niedersächsischen Artland, ging’s für Torsten Pistol aka Pistole steil bergauf. Mit viel Talent, Leidenschaft und einer Prise Glück wurde aus dem gelernten Krankenpfleger und Rettungssanitäter zuerst ein Fischzüchter und schließlich Chef von Pistole Hardcore-Food.
Wir haben uns mit Torsten Pistole über sein Leben unterhalten und seine Art, einen Fisch zu töten:

Wie war die Zeit im Fischzuchtbetrieb damals für dich? Hat es dich fasziniert, hat es dir gefallen?
Torsten: Ich hab ja schon als Kind sehr gerne geangelt, auch als Jugendlicher, Heranwachsender oder wie man das auch immer nennen mag. Ich fand das immer toll, draußen in der Natur, Angeln, das Naturerlebnis. Und dass man Fisch auch farmen, also für den Verzehr produzieren kann, das fand ich auch schon immer cool, dass man den Fisch eben richtig als Lebensmittel nutzen kann.
Nach meiner Ausbildung war es dann klar, dass ich das dann eben machen möchte.

Es war aber sicher auch gut, dass du die Krankenpfleger-Ausbildung hattest, oder?
Torsten:
Ich habe halt damals diese Krankenpfleger-Ausbildung gemacht, weil auch diese Arbeit oder dieses Umgehen mit Menschen mir einfach unwahrscheinlich viel Freude bereitet hat. Ich glaube, dass das auch ganz viel mit mir gemacht hat, also diese Zeit alleine im Krankenhaus. Dort habe ich ja vieles mitbekommen, was heutzutage einfach nur weggedrückt wird, also das Thema Tod und Sterben zum Beispiel. Sowas wird heutzutage ja leider gar nicht mehr in unseren Familien gelebt, obwohl das so wichtig ist. Und das ist eben so etwas, was ich damals durch die Pflege eben ganz stark mitgenommen habe und was mich auch bis heute noch sehr nachhaltig prägt.

Genau, jede Station im Leben ist wichtig.
Torsten: Ja, ich sage immer, das Leben ist wie ein Buch. Wenn du auf die Welt kommst, ist es leer und dann schreibst du deine Geschichte selbst. Das ist total wichtig. Das schlimmste, was du in meinen Augen haben kannst ist, als Beamter ein Leben lang das gleiche zu tun. Und sobald du ausbrichst, bist du ein Asi, also asozial, weil du nicht so bist, wie alle das wollen. Ich sage einfach, dass ich für jede Station, die ich bisher mitgemacht habe, mega dankbar bin, weil mein ganzes Leben mein Studium ist. Wenn die Leute mich fragen, was ich denn studiert habe, sage ich immer: „Mein Leben“. Und das finde ich auch wichtig, dass man bereit ist, aus seiner Komfortzone herauszugehen, dass du Bock hast, dich immer wieder neu zu erfinden. Auch wenn dein Studium oder deine Ausbildung nichts mit dem zu tun hat, was du heute machst, macht es dich doch zu dem Menschen, der du bist. Ich denke nicht an mein Alter oder wann ich mal in Rente gehen kann, weil ich einfach nur im Hier und Jetzt lebe und alles in der Hand habe, was ich so tue.

 

A propos tun: Kannst du uns noch etwas zu deiner Kunst, einen Fisch stressfrei zu töten, erzählen? 
Torsten: Ins Thema Ike Jime bin ich eingestiegen, weil ich wissen wollte, wie man ein Lebensmittel, das schon eine gute Qualität hat, vom Geschmack her noch einmal mehr pushen kann. Darum habe ich mir diese japanische Tötungskunst angeeignet, habe viel gelesen und es an toten Fischen ausprobiert. Irgendwann habe ich es dann auch an lebenden Tieren praktiziert und gemerkt, dass es ein unglaublich wirksames Mittel ist, das Lebensmittel eben noch einmal aufzuwerten und dem Tier als Lebensmittel einen vernünftigen Respekt zu zollen.

Und wie funktioniert das nun genau?
Torsten: 
Der Fisch wird mit einem Stich ins Hirn getötet. Dann mache ich einen Schnitt im Nacken durch den Spinalkanal bis auf die Wirbelsäule. Im Spinalkanal laufen die Nervenverbindungen vom Hirn bis in den Schwanz und von dort gehen die Signale bis in die Peripherie. Dann wird auch noch ein Schnitt am Schwanzende gemacht und ich schiebe einen feinen Lötdraht durch den Spinalkanal. Damit zerstöre ich das darin befindliche Nervengewebe und unterbinde damit die Reizweiterleitung ins restliche Gewebe. Das hat zur Folge, dass die Muskeln sich nicht mehr kontrahieren. Dann kommt das Tier in eine eiskalte Salzwasserlake und blutet dort aus. Die Muskelaktivität ist dabei null, sodass der Muskel nicht übersäuert. Dadurch bleibt der Fisch super lange frisch und er riecht nach zehn Tagen, wie wenn er gerade frisch aus dem Becken gekommen wäre. Auch das Fleisch hat eine ganz andere Qualität und erinnert ein wenig an Marzipan. Leicht klebrig, buttrig… eine komplett andere Textur.

Da muss man auch erst einmal draufkommen.
Torsten: Genau, draufkommen und dann machen. Nicht labern, sondern machen.

Wie schnell geht das eigentlich?
Torsten: Wenn ich das mache, dauert das keine 5 Sekunden. Darum lasse ich auch niemanden anderen ran, denn das wäre Tierquälerei. Wenn ich das mache, geht das so rasend schnell; wenn der Fisch aus dem Becken kommt, der zappelt noch nicht einmal. Das ist ein richtiger Automatismus, der da abläuft. Danach bin ich dann auch wieder etwas ruhiger, aber sobald der Fisch aus dem Wasser geholt wird, muss es eben schnell gehen.

Wow, das geht ja wirklich ratz fatz. Vielen herzlichen Dank, Torsten, für das interessante Gespräch und alles Gute für dich und deine Projekte.
(Text: Aus dem Hinterland, Fotos: Torsten Pistole)