Prof. Dr. Jeff Beck: die Gitarre und das „Mehr“

Jeff Beck zeigt mit seiner Veröffentlichung „Rock’n’ Roll Party“, einem Live Konzertmitschnitt aus dem Iridium Jazz Club in New York, dass er seine musikalischen Wurzeln nicht verleugnet sondern geradezu liebevoll pflegt. Dieses Konzert ist eine posthume Hommage an sein großes musikalisches Vorbild und seinen väterlichen Freund Les Paul.


Der am 24. Juni 1944 in Wallington (England) geborene Geoffrey „Jeff “ Arnold Beck war immer ein Pionier der E-Gitarre. Er entfernte sich mit der Zeit immer weiter von seinen musikalischen Anfängen als junger achtzehn jähriger Londoner Rock’ n’ Roll Profi-Gitarrist um sich neue und spannende musikalische Welten zu erschließen. Seine Arbeit und sein Umgang mit dem Instrument inspiriert bis zum heutigen Tag zahllose Gitarristen auf der ganzen Welt. Nicht ohne Grund wurde ihm der Titel „Gitarrist der Gitarristen“ verliehen. Durch seine Virtuosität und Vielseitigkeit, seine Offenheit gegenüber aller Art von Musik, seinen Experimenten mit kontrollierten Rückkopplungen, verzerrten Gitarrensounds, dem raffinierten Einsatz von exotischen Tonleitern und Kirchentonarten, offenen Stimmungen sowie schon sehr frühen, kompetenten und anerkannten Abstechern in Jazz Gefilde, machte er sich viele Freunde in den durchaus unterschiedlichen musikalischen Lagern wie Rock, Blues, Pop und Jazz Fusion. Seine kreative und sich ständig weiterentwickelnde musikalische Arbeit wurde mit vielen Preisen und Anerkennungen geehrt. In der Bestenliste der „100 Greatest Guitarrists of All Time“ des Rolling Stone Musikmagazins wird er als einer der einflussreichsten Rockgitarristen auf Platz 14 eingestuft. Bei Digital Dream Door wird er sogar an zweiter Stelle der besten Rock Gitarristen aller Zeiten geführt.

Vorbilder und erste Schritte

Ein sehr wichtiger früher Meilenstein auf seinem langen musikalischem Weg war das Jahr 1957. Nach eigener Aussage lernt er in diesem Jahr durch Vermittlung seiner vier Jahre älteren Schwester Annette den gleichaltrigen Jimmy Page, den späteren viel gefeierten Gitarrenvirtuosen von Led Zeppelin kennen. Die beiden Dreizehnjährigen aus dem südlichen London haben nur eins im Kopf: „Gitarre“ und der gerade von Amerika nach Europa hereinstürmende „Rock ‘n Roll“. Schnell werden als Vorbilder die damals bei der Jugend angesagten Musiker Cliff Gallup, Scotty Moore und Les Paul ausgemacht.

Jede freie Zeit nutzen die beiden um immer und immer wieder ihre Lieblingsplatten aufzulegen, damit jeder Ton richtig herausgehört werden kann. Jeff und Jimmy stecken sich mit der Auswahl ihrer musikalischen Vorbilder hohe Ziele.

Cliff Gallup gilt heute als einer der ausgefuchstesten Rockabilly Gitarristen, Scotty Moore hat als Gitarrist von Elvis Musikgeschichte geschrieben und Les Paul war ein Gitarrist der zusätzlich zu seiner musikalischen Brillianz mit seinem technischen Know-how die Aufnahmetechnik revolutionierte und die Entwicklung der elektrischen Gitarre weiter vorantrieb. Es gibt also für die beiden viel zu tun. So entsteht aus der gleichen Leidenschaft für die neue „heiße“ Musik eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden jugendlichen Musikern, die bis zum heutigen Tag anhält. Auch die Liebe zur Malerei und der zweijährige Besuch der Wimbledon School of Arts konnten Jeff nicht davon abhalten sich bald ganz der Musik zu verschreiben. So war es nicht verwunderlich, dass sich die Wege der beiden jungen Musiker immer wieder kreuzten.

 

Deltones, Crescents, Tritones und die British Invasion

1965 verhalf Jimmy Jeff zu einem entscheidenden Karrieresprung. Jimmy Page hatte sich bereits in der Londoner Sessionszene einen guten Ruf erarbeitet, war bei vielen Studioaufnahmen mit dabei und gut im Geschäft. Jeff Beck spielte bei den Deltones, den Crescents und den Tritones aus Croydon und galt als bewunderter Ausnahmegitarrist. 1965 war das „Swinging London“ zur Hauptstadt der internationalen Popmusik zum Dreh- und Angelpunkt eines neuen Lebensgefühls avanciert. Hier war jetzt das Epizentrum der Popkultur mit all ihren Facetten in bildender Kunst, in Mode, Musik, Protest und Revolution. Es war das Jahr in dem Mary Quant den Minirock kreierte und die Carnaby Street weltbekannt machte. Britische Bands wuchsen wie Pilze aus dem Boden und die „britische Invasion“ eroberte die USA. Von insgesamt 25 Songs, die Platz 1 in den USA Charts belegten, waren 1965 allein zwölf britische Produktionen. 1965 war auch das Jahr, in dem das Establishment die Popmusik förmlich anerkannte. Die Beatles bekamen am 20. Oktober im Buckingham Palace von der englischen Königin den „Order Of The British Empire“ (OBE) verliehen. In diesem Jahr erschienen in Großbritannien zwei Songs die Jeff Beck in seiner Karriere entscheidend weiterhalfen: „For Your Love“ und „Heart Full of Soul“ von den Yardbirds.

Ich weiß noch genau, wie ich das erste Mal im Frühjahr 1965 „For Your Love“ in der Hanauer Milchbar „Pinguin“, einem damals angesagten Szenetreffpunkt für Hanauer Schüler und Studenten, hörte. Was war an diesem Song so anders? Einmal der klagende etwas nasale Gesang des Sängers Keith Relf, dazu der Einsatz treibender Bongotrommeln. Das alles wurde genial durch den schwebenden Klang der Akkorde eines Cembalos zusammengehalten. Dieser Song besaß immensen Hit Charakter und erreichte im Nu Nummer drei in den Charts von Britannien und konnte sich im Juni auf Platz 6 der amerikanischen Hitparade platzieren.

 

Eric Clapton: Ende und Neuanfang der Yardbirds

Das war natürlich auch ein wunderbarer kommerzieller Lichtblick für die Gruppe, die sich bisher in den angesagten Szeneclubs im Londoner Raum einen respektablen Ruf als ganz besondere R&B/ Bluesband erspielt hatte. Der musikalische Richtungswechsel war für den damaligen Gitarristen Eric Clapton, den wir zu dieser Zeit alle noch nicht kannten, Grund genug die Band zu verlassen, um sein Glück bei John Mayall’s Bluesbreakers zu machen. Daher schien im Augenblick des ersten großen Erfolges auch das frühe Ende der Yardbirds nahe. Eric Clapton war der musikalische Star, der Dreh- und Angelpunkt der Gruppe. Wer sollte diese Lücke schließen? Die Wahl fiel schließlich auf den durch zahlreiche Studiosessions bekannten Routinier Jimmy Page. Die Absage folgte prompt. Page verdiente durch seine Studioarbeit ausgesprochen gut und wollte auch seine angeschlagene Gesundheit nicht durch die zu erwartenden harten Tourneen mit fast täglichen Auftritten aufs Spiel setzen. So schlug er den Yardbirds vor, seinen Freund Jeff Beck in die Band zu holen. Nach einigem Hin und Her verließ Clapton Anfang März die Band. Da die Yardbirds zu dieser Zeit fast jeden Tag Auftritte zu absolvieren hatten, musste Jeff innerhalb von vier Tagen 15 Songs einstudieren. Der wichtigste Auftritt in der neuen Besetzung fand am 8. März 1965 im damaligen Musentempel der Swinging Sixties, dem Londoner Marquee Club statt. Ursprünglich als großer Test gedacht, wurde das Konzert zum Triumph für die Gruppe. Der neue Gitarrist über- zeugte auf der ganzen Linie und erweiterte das ehemalige streng asketisch ganz auf Blues und R&B ausgerichtete musikalische Spektrum. Die Yardbirds hatten sich unter dem Einfluss von Jeffs Gitarrenarbeit jetzt zu einer experimentierfreudigen Rockband allerdings mit immer noch starkem Blueskern entwickelt. Mit ihren ersten psychedelic music Elementen und auch atonalen Experimenten waren sie als Vorreiter nun total am Puls der Zeit. Die Erwartungen auf die zweite Single waren entsprechend hoch und wurden nicht im Geringsten enttäuscht.

Das erste Mal habe ich Jeff Beck mit den Yardbirds und ihrem brandneuen zweiten Song „Heart Full of Soul“ im Juli im englischen Fernsehen gehört und gesehen. Durch Vermittlung meines Bruders der als „German Assistant“ an einem Gymnasium in der Nähe von Newcastle arbeitete, hatte ich das Glück einige Wochen an der Edward VI Grammar School in Morpeth zu verbringen. Wie 1965 unter Jugendlichen üblich wurden zwischen den neuen englischen Schulkollegen und mir erst einmal die musikalischen Vorlieben abgecheckt. Das Eis war schnell gebrochen, als sich herausstellte, dass der Musikgeschmack auf beiden Seiten fast identisch war. Ich hatte ihnen so nebenbei erzählt dass ich auch das schon etwas ältere „Apache“ von den Shadows immer noch gut finde. Einen Tag später stolzierte in der Pause ein englischer Mitschüler aus einer anderen Klasse mit einer E-Gitarre unter dem Arm in unseren Aufenthaltsraum und sagte: „Hello, ich spiele auch Gitarre, mein Onkel ist Hank Marvin von den Shadows aus Newcastle“. Das alles war Völkerverständigung pur und für mich die Eintrittskarte zu einer Einladung gemeinsam mit den Musikfans der Klasse am Wochenende die Präsentation der aktuellen britischen Charts im Fernsehen anzuschauen. Bis heute sind mir da zwei Songs in Erinnerung geblieben „We Gotta Get Out Of This Place“ von den Animals aus dem nahegelegenen Newcastle und das besagte „Heart Full Of Soul“ von den Yardbirds. Die beiden Hits fanden sofort die Zustimmung von uns allen. Wie schon bei „For Your Love“ gab es auch bei „Heart Full Of Soul“ ein raffiniertes Instrumental Intro das sich von bisher Gehörtem deutlich abhob. Nur war es diesmal kein Cembalo, das für Überraschung sorgte, sondern eine seltsam fremdartige Melodie, die von einem jungen Gitarristen gespielt wurde und eigentlich überhaupt nicht nach Gitarre klang. Meine englischen Freunde erklärten mir, dass der Typ noch neu bei der Gruppe sei aber ein sehr guter Gitarrist ist und Jeff Beck hieße. Dass ich diesem Gitarristen noch in diesem Jahr gegenüberstehen würde, konnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnen – doch dazu später. Wie er den Gitarrensound hinbekam blieb erst einmal ein Rätsel, das durch ein anderes Musikstück noch verstärkt wurde.

In der darauffolgenden Woche fuhr die Schulklasse nach Wokingham westlich von London in ein Schoolcamp. Natürlich hatten einige Schüler ihre Taschenradios dabei und so kam uns eines Tages ein Song von einer ebenfalls angesagten jungen Londoner Band zu Ohren, der gerade ganz neu in den USA veröffentlicht wurde, aber kurioserweise in ganz Großbritannien noch nicht erhältlich war.

Auch hier wieder ein Intro mit einer sehr einprägsamen Melodie, die von einem Instrument gespielt wurde, das erst mal nicht geortet werden konnte. Die junge aufstrebende Band stammte wie die Yardbirds auch aus dem Großraum von London und nannte sich „Rolling Stones“. Der Songtitel war kurz und einprägsam und provozierte mit seiner Vieldeutigkeit: „Satisfaction“

Irgendwann zurück in Deutschland kam Licht in das Dunkel. Ich sah in einem kurzen Kino-Wochenschaubericht über einen Liveauftritt der Rolling Stones in Wien, dass dieses Intro von „Satisfaction“ von Keith Richards auf der Gitarre gespielt wurde. Er hatte irgendein kleines Gerät am Boden stehen, das mit der Gitarre verbunden war und mit dem Fuß an- und ausgeschaltet wurde. So etwas war damals völlig neu. Später habe ich über dieses seltsame neue Gerät folgendes herausgefunden:


Fuzztone: dreckig mit viel Sustain

Die Yardbirds wollten mit ihrem Nachfolger von „For Your Love“ natürlich wieder einen Erfolgshit landen. Anfang April wurde mit den Studio Aufnahmen begonnen. Die B-Seite „Steeled Blues“ ein Instrumental von Jeff Beck wurde innerhalb von nur zwanzig Minuten eingespielt. Für die A-Seite wollte man strategisch vorgehen. Wieder sollte ein ungewöhnlicher Anfang dem Song Finesse verleihen. Dazu holte man sich zwei indische Musiker in das Studio die mit Sitar und Tabla eine abgehobene Atmosphäre gestalten sollten. Dies wäre der erste Einsatz einer Sitar in der westeuropäischen Unterhaltungsmusik gewesen. Da das Resultat aber nicht zufriedenstellte musste Jeff Beck ran. Um den Klang der Sitar nachzuahmen, zog Jeff beim Spielen die Seiten ganz leicht quasi als „Vierteltonbending“ an, so dass die Melodie nicht ganz in der Stimmung lag, aber auch nicht verstimmt klang. Zusätzlich nutzte er ein geheimnisvolles Gerät den „Fuzztone“. Dieses Pedal war nur bei Insidern seit einiger Zeit bekannt und Jeff experimentierte bereits mit selbstgebauten Teilen. Der Einsatz als Studiogerät war zu dieser Zeit ungewöhnlich. Angeblich hat Jeff Beck auf ein von Jimmy Page geliehenes „Roger Mayer Fuzz“ Gerät zurückgegriffen um den aus dem Verstärker kommenden Klang mehr Sustain zu geben und um einfach „dreckiger“ zu klingen.

Dasselbe hatte Keith Richards mit seinem Jahrhundert-Riff von „Satisfaction“ vor.
Bei den Studioarbeiten Anfang Mai in Chicago benutzte er ein ganz neu von Gibson auf den Markt gebrachtes Gerät den Maestro Fuzz Tone FZ1. Er wollte damit für sein Intro einen Bläsersatz nachahmen. Es war klar, dass nach dem Erfolg dieser beiden Songs diese Geräte ein Erfolgsschlager wurden und damit der Grundstein für weitere bis heute unzählige andere Gitarren Bodeneffektgeräte („Bodentreter“, Pedals usw,) gelegt wurde. Der verzerrte Gitarrensound war vorher mehr Not als Tugend. Ursprünglich von Bluesmusikern auf billigen Verstärkern kultiviert, war der „brutzelnde“ Klang jetzt zum kreativen Spielball der Rockmusiker geworden.

„Heart Full Of Soul“ schnellte sofort auf Platz 2 der britischen Charts und wenig später auf Platz 9 der amerikanischen Charts. Der weitere weltweite Erfolg, den die Rolling Stones mit ihrem Song hatten, ist bekannt und braucht an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden.

Ende 1965 wurde es noch einmal spannend. Irgendwie hatte ich erfahren, dass die Yardbirds mit Jeff Beck am 9. November im K52 (Kaiserstraße 52) in der Nähe vom Hauptbahnhof Frankfurt auftreten sollten. Das K52 hatte damals schon Kultstatus und war ein relativ kleiner Schuppen im Herzen des damaligen Rotlichtviertels, der wildesten Ecke in Frankfurt überhaupt. Spielzeit der Bands war von 20 Uhr bis 5 Uhr früh. Dummerweise war an diesem Wochentag immer der Tanzkurs meiner Schule. Freunden aus unserer Band konnte ich das Konzert der Yardbirds auch nicht schmackhaft machen. Für mich war die Entscheidung klar. Die Tanzstunde wurde geschwänzt und es ging mit dem Zug allein nach Frankfurt. In der Kaiserstraße war schon pralles Leben zugange und es herrschte Hochbetrieb. Das K52 hatte fast Wohnzimmercharakter und mir fiel es nicht schwer einen guten Platz zu finden. Im Vorprogramm spielten „The Rattles“ aus Hamburg, „Casey Jones & the Governors“ aus Liverpool, die „Shamrocks“ ebenfalls aus England und als Hauptattraktion „The Yardbirds“.

Die Vorgruppen waren sicherlich gut, aber was diese Band abzog, war einfach um Klassen besser. Am auffallendsten war der einundzwanzigjährige Gitarrist Jeff Beck, der fast regungslos mit einer hellen Fender Telecaster (wie ich meinte), ganz links außen stand und trotzdem mit einer unglaublichen Kraft und Intensität präsent war, tolle spielerische Finessen zeigte und gleißende Gitarrensoli der Extraklasse hervorzauberte. Das Konzert war umjubelt und super und die Tanzstunde längst vergessen.

Nach dem Konzert hat sich das Lokal relativ rasch geleert die ganze Band mit Keith Relf, Paul Samwell-Smith, Chris Dreja und Jim McCartey hing noch an der Bar. Das war eine gute Gelegenheit mehr über diese Wundergitarre zu erfahren, die Jeff gerade in seinen Gitarrenkoffer wegsperren wollte.

Ich ging einfach zu ihm hin und fragte: „Is it a Fender?“ Jeff blickte auf grinste gab sie mir in die Hand und sagte: „Yes it’s a Fender, it’s an Esquire“. Es war eine ganz normale, sehr einfache spartanische Gitarre – von einem Zaubergegenstand keine Spur. Nach einem kleinen Smalltalk mit den Musikern zog ich dann mit den Autogrammen der Band auf meinem Getränkebon, der von mir natürlich jetzt nicht mehr eingelöst wurde, von dannen. Wie ich später erfuhr, hatte Jeff die 1954er Fender Esquire von John Walker (Walker Brothers) kurz zuvor für 75 Pfund erstanden was damals etwa 260 Euro entsprach.

Mit dieser eigentlich ganz einfachen Gitarre wurden dann alle Hits der Yardbirds eingespielt und viele Tourneen damit absolviert. Irgendwann wurde sie Jeff sogar auf einer Amerika Tournee gestohlen, aber glücklicherweise von der Polizei wiedergefunden und zurückgebracht.

Diese Gitarre von Jeff wurde 2006 von Fender mit allen Kratzern und Blessuren, die sie nach all den Jahren abbekommen hatte, in einer begrenzten Auflage 1:1 nachgebaut. Wer schnell genug war und den entsprechenden Geldbeutel hatte, konnte also eine Kopie von diesem Arbeitstier für etwa 14.000 Euro erwerben.


Beginn der Solo-Karriere

Als Jimmy Page schließlich 1966 Paul Samwell-Smith am Bass ersetzte und wenig später auf die Gitarre umstieg, schien die Super- group mit zwei Sologitarristen perfekt. Doch die Band war dem Erfolgsdruck und dem permanenten Tournee-Stress nicht mehr gewachsen. Ende Oktober musste Jeff Beck während einer USA-Tour wegen unüberbrückbarer Spannungen die Band verlassen.

Jeff gab nicht auf. Er versuchte jetzt mit einer Solokarriere seine musikalischen Vorstellungen zu verwirklichen. Im März 1967 kam er mit „Hi-Ho Silver Lining“ und „Tallyman“ sogar als Sänger in die britischen Charts. Das spülte zwar wichtiges Geld in die Kasse, brachte ihm aber keine künstlerische Befriedung. Seine unbeirrbare Suche nach neuen musikalischen Herausforderungen wurde aber bald auf tragische Weise fast beendet. Seine Leidenschaft zu schönen alten Autos wird ihm 1969 beinahe zum Verhängnis. Bei einer Tour nahe Maidstone platzt ein Reifen von seinem heißgeliebten 1923 Ford T-bucket. Dadurch wird der Wagen manövrierunfähig. Jeff kann einem entgegenkommenden Morris Kleinwagen nicht ausweichen und es kommt zum Zusammenstoß. Jeff wird herausgeschleudert und landet auf der Straße. Der Morrisfahrer erleidet einen Beinbruch. Jeff wird mit Rückenverletzungen, Schädelbasisfraktur, Nasenbruch und Gesichtsverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Es dauert Jahre bis ihn keine Erschöpfungszustände und Kopfschmerzen mehr quälen und er sich wieder voll konzentrieren kann. Dieser schwere Unfall hat ihn aber nicht abgehalten weiterhin bis zum heutigen Tag alte historische Automodelle zu sammeln und fachgerecht mit viel Liebe und den eigenen Händen zu renovieren und wieder zum Laufen zu bringen.

Ich habe Jeff Beck nach seiner Genesung in den siebziger Jahren am 3. Oktober 1972 mit der Jeff Beck Group im Circus Krone Bau und im Sommer ein Jahr später mit Beck, Bogert & Appice ebenfalls im Circus Krone Bau gesehen: Es waren tolle Konzerte, nie ein zweiter musikalischer Aufguss oder ein Ausruhen auf den Lorbeeren vergangener Tage.
Damals konnte ich noch nicht ahnen, dass ich erst nach fast 30 Jahren am 1. Juli 2010, diesmal auf dem Tollwood in München, wieder ein Konzert von Jeff Beck hören sollte. Es war erwartungsgemäß wieder ein tolles Konzert zeitlos, faszinierend und weit entfernt von einer Oldies Revival Show.

Jeff hat im Lauf seiner langen Karriere eine ausgeklügelte Spieltechnik seiner beiden Hände entwickelt, die eigentlich nicht nachvollziehbar ist. Zusätzlich baut er mit dem Tremoloarm der Gitarre sowie Lautstärke und Tonreglern emotionale Stimmungen auf, die der Intensität einer menschlichen Stimme sehr nahe kommen. Seine Spielfreude ist immer noch enorm, seine körperliche Verfassung bewundernswert. Die zahlreichen Auftritte, die er noch immer in aller Welt absolviert, würden so manchen jüngeren Kollegen in die Knie zwingen.

2011 erhält Jeff Beck gleich zwei akademische Auszeichnungen. Am 18. Juli wird er als Alumnus des Wimbledon College of Arts von der University of Arts London für seinen „ herausragenden Beitrag im Bereich der Musik“ zum Ehrenprofessor ernannt.
Nur drei Tage später bekommt er am 21. Juli von der Universität Sussex für seine „einzigartige musikalische Lauf bahn und seine Zusammenarbeit mit der Universität und dem Institut für Moderne Musik (BIMM)“ die Ehrendoktorwürde.

von Helge Köckert
(Foto: Shannon Kringen, Wikipedia)