George Harrison MBE (1943-2001) war Gitarrist und Sänger und kam im Alter von vierzehn Jahren zu der Musikgruppe die sich später „The Beatles“ nennen würde.
Er wurde der Sologitarrist der Band. Dass George so ganz neben- bei noch super komponieren, singen und Texte schreiben konnte, zudem eine tolle Ausstrahlung und jede Menge Charme und Hu- mor besaß, soll hier nicht unerwähnt bleiben.
Beim Einsatz seiner Gitarren nutzte er den besonderen individuellen Klang der einzelnen Instrumente und er tat dies stets wohlüberlegt und äußerst geschmackvoll. Sein Spiel mit der Slideguitar war melodiös und wegweisend, der Einsatz der indischen Sitar innovativ und bahnbrechend.
Durch George hörte ich das erste Mal wie eine amerikanische, zwölfsaitige, 360er Rickenbacker Gitarre über einen britischen Vox-Verstärker klang, was man aus einer Gretsch 6128 Duo Jet alles herauskitzeln konnte und wie gut das Solo von „Nowhere man“ 1966 im Münchner Circus Krone Bau, diesmal nicht auf der Fender Strat sondern auf einer wundervollen tobacco-sunburst Epiphone Casino, klang!
Dass George auch noch andere Dinge als die Musik beschäftigten, war mir damals in meinen frühen Teenager-Jahren nicht bekannt und zu dieser Zeit auch nicht so wichtig. Jahrzehnte später bin ich eher durch einen Zufall über einen interessanten Artikel in einer Architekturfachzeitschrift gestolpert und habe so eine weitere Facette von Georges vielschichtiger Begabung kennengelernt. In einem Bericht über die Londoner Chelsea Flower Show 2008 war von einem prämierten Garten die Rede. Die feierliche Widmung: „From Life to Life a Garden for George“ fiel sofort ins Auge und machte zunächst neugierig auf weiteres. Fast zeitgleich mit dieser Entdeckung bekam ich ein wunderschönes Buch von Klaus Voormann in die Hände: „Warum spielst du Imagine nicht auf dem weißen Klavier, John?“.
Der Grafiker, Designer und Musiker Klaus Voormann war sicherlich einer der besten Freunde, die George in seinem zu kurzem Leben hatte. Klaus kannte die Beatles seit ihren allerersten Anfängen in Hamburg und es entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft zwischen ihnen. In der Blütezeit der Pop-Kultur war Klaus Voormann ein gefragter und beliebter Bassist in der Welt-Topmusiker-Liga. Auf zahllosen Studiosessions mit der damaligen Musiker-Creme-de-la-Creme und musikhistorischen Auftritten wie das Toronto Konzert 1969 mit John Lennon und Yoko Ono und Bangladesh Konzert 1971 in New York mit George Harrison war er als „sideman“ am Puls der Zeit und ist selber zu einer Musikerlegende geworden.
In seinem weiter oben erwähnten Buch schildert Klaus in einem speziellen Kapitel sehr einfühlsam den „spirituellen“ Gärtner George in seinen späten Jahren. Doch dazu später.
George, der Staudenzüchter
George hatte nach der Beatles-Ära 1970 mit gerade mal 27 Jahren einen ziemlich in die Jahre gekommenen neugotischen, etwas exzentrischen herrschaftlichen Landsitz namens Friar Park bei Henley on Thames mit 120 Zimmern, mehreren Cottages und einem 140 000 qm großen verwilderten Park mit Gewächshäusern, Höhlen, Seen und Teichen erworben. Für den jungen George Harrison gab es mit diesem Kauf eine ganze Menge zu schultern, aber mit seiner Tatkraft und seiner Passion stellte er sich dieser Lebensaufgabe und er reihte sich nahtlos in die große Reihe bri tischer Garten-Enthusiasten wie Vita Sackville West, Harold Nicholson, Lawrence Johnston und vielen mehr ein. Im Lauf der Zeit hatte George eine immer größere Leidenschaft für die Schönheit der Gartenwelt und Natur entwickelt und sich auf Exkursionen in botanische Gärten und Privatgärten in Cornwall kundig gemacht. Er hatte sogar Beth Cato eine legendäre englische Staudenzüchterin und Landschaftsgestalterin zu Rate gezogen und obwohl er sich immer wieder scherzhaft auf seinen Status als Gartenamateur berief, hatte er gleichwohl das Talent gärtnerische Ideen kreativ und mit Passion umzusetzen.
Für die Leidenschaft seinen Park mit neuen Ideen umzugestalten bekam er von seiner Familie in Anlehnung an den im 17. Jahrhundert lebenden britischen Landschaftsarchitekten Lancelot „Capability“ Brown den liebevollen Spitznamen „Capability“ George.
From Life to Life a Garden for George
Seine 1980 erschiene Biographie mit dem Titel: I, Me, Mine trägt die Widmung: „to gardeners everywhere“ (gewidmet den Gärtnern überall). So ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass die Zuneigung von George zu allem was mit Erde und Pflanzen zu tun hatte mit den Jahren, die er in Friar Park verbrachte, immer größer und größer wurde. Klaus Voormann hatte eine ganze Weile in einem der Cottages von Friar Park gewohnt und beschreibt in seinem Buch wie er nach vielen Jahren 2001 seinen alten Freund wieder im Friar Park besucht. George war durch seine Krebserkrankung bereits gesundheitlich sehr angeschlagen, ließ es sich aber nicht nehmen seinem Freund voller Stolz die Veränderungen im Park zu zeigen. Jetzt sollte also posthum das Andenken an George – den Musiker und Gärtner – auf der traditionsreichen Chelsea-Flower Show gewürdigt werden. Die Witwe Olivia Harrison und die befreundete Landschaftsarchitektin Yvonne Innes wollten mit diesem Garten den tiefgläubigen und vielseitig begabten Menschen George Harrison ehren. Für das Gartenmotto „From Life to Life a Garden for George“ hatte Olivia Harrison die Idee, eine Textzeile aus einem Lied von George zu zitieren: „Floating down the streams of time from life to life with me“.
Mit der Zeile „from Life to Life“ sollte das philosophische Wesen und die spirituelle Seite von George deutlich gemacht werden, die Tranzendens im Strom der Zeit von der diesseitigen materiellen Welt in eine spirituelle Welt. Die Chelsea-Flower Show schien hierfür ein würdiger Rahmen. Diese Veranstaltung wird jährlich von der Royal Horticultural Society (RHS) ausgerichtet und kann auf eine sehr lange Tradition zurückblicken. Von 1852, dem Begründungsjahr, bis 1913 fand die Flower-Show in London-Kensington statt und wurde dann anschließend auf dem Gelände des Chelsea Royal Hospital etabliert. Im Laufe der Jahre hat sich dieses Ereignis zu einem Trendbarometer und zu einer Pilgerstätte für Garten- und Blumenfreaks aus aller Herren Länder und allen Bevölkerungsschichten entwickelt. Es ist ein sehr britisches „Spektakel“ – ein großes gesellschaftliches Ereignis mit einem obligatorischen Besuch der Schirmherrin Queen Elizabeth II. und weiteren Mitgliedern der königlichen Familie. Hier zeigen die bekanntesten Gardendesigner und Landschaftsarchitekten aber auch Nachwuchsstars ihre Ideen und bis zu 600 Aussteller aus aller Welt konkurrieren um die begehrten Medaillen. Jeden Abend berichtet die BBC live zur Primetime von diesem Event und Millionen von Briten verfolgen die Show im Fernsehen. Der Garten für George wurde mit einem Silver Gilt Flora Award prämiert. Vielen Presseberichten zufolge wurde er ein wirklicher Publikumsmagnet und ein emotionaler Höhepunkt dieser „Flower Show“.
Ein Garten für jeden Lebensabschnitt
Was diesen Garten meiner Meinung nach zu etwas ganz besonderem gemacht hat, sind die feinfühligen Ideen, die hinter dem Ganzen stehen. Der Gesamtgarten ist in vier Themenbereiche gegliedert. Wichtige Lebensabschnitte von George werden atmosphärisch und einfühlsam dargestellt und sind durch einen mit Bodenmosaiken bebilderten Weg verbunden.
„Der Liverpool Garten“ steht für die Zeit der Kindheit und frühen Jugend von George, mit dem Gemüsebeet des Vaters und einem kleinen Kinderfahrrad, mit dem er die ersten Ausflüge auf das Land unternahm und die Natur erkundete.
Der farbenfrohe „psychedelische 60’s Garten“ steht für seine Sturm und Drang Zeit bei den Beatles, der „besinnliche Garten“ zeigt den Lebensabschnitt zum spirituellen und lebensweisen Menschen. Der „nach dem Leben Garten“, mit einem edlen indischen Pavillon sowie erlesenen Duftpflanzen und leise im Hintergrund klingender Musik von George, trägt einen ganz besonderen Zauber und lässt alle Hektik der Umgebung vergessen. George hatte in seinem Leben eine ganze Menge geschaffen und ins Rollen gebracht und so ein wundervolles Andenken für uns hinterlassen. Wenn es stimmt, was seine Familie kurz nach seinem Tode bekannt gegeben hat, dann hat er die Welt so verlassen, wie er in ihr gelebt hat – im Vertrauen auf Gott, ohne Angst vor dem Tod und im Frieden.
Ich hatte vor einigen Jahren das Glück in Kontakt mit Klaus Voormann zu kommen. Klaus erzählte mir am Telefon, dass George in seinen späten Jahren sein Interesse den Ziergräsern zugewendet hatte und diese Pflanzenform auch philosophierend betrachtete. „Ich liebe diese großen Wiesen mit dem langen weichen Gras, dieses Wogen, wenn der Wind durchfährt. Wie viel einfacher könnte unser Leben sein, wenn wir von diesen Beobachtungen lernen würden. Sich einfach dem Lebenswind hingeben und sich nicht immer dagegen sträuben….“ Als passionierter Pflanzenliebhaber kann ich nur sagen, dass sich hier George eine fantastische Welt erschlossen hat. Er befindet sich in bester Gesellschaft mit Karl Foerster aus Berlin. Karl Foerster hatte 1957 mit „Einzug der Gräser und Farne in die Gärten“ ein Buch auf den Markt gebracht, das bis jetzt seinesgleichen sucht. George hätte an diesem Buch mit Sicherheit seine größte Freude gehabt!
Es gibt bereits ein Ziergras mit dem Namen Carex hybridum „The Beatles“ (Segge) und wenn also eines Tages ein Züchter einem neuen Chinaschilf den Namen Miscanthus sinensis „George Harrison“ geben würde (eigentlich längst überfällig), würde ich dieses Gras sofort bei meinem kleinen Sitzplatz im Garten pflanzen und mich in dieser Gesellschaft ausgesprochen geborgen fühlen.
„From Life to Life a Garden for George“ sollte aber nach einer langen Reihe posthumer Ehrungen nicht die letzte Achtungserweisung für George gewesen sein.
Nachdem bereits 1984 ein neu im All entdeckter Stern nach ihm benannt wurde, bekam George schließlich einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame.
von Helge Köckert (Foto: Fotocollectie Anefo Reportage, Wikipedia)