Die Bachforelle: ein schimmernder Schmaus

Der auf deutsch Wolfsbarsch genannte Loup de mer ist eine Delikatesse, ob man ihn nun mit Olivenöl und Weißwein im Rohr gedünstet oder diskret in der Folie gegart hat.
Als besonders edler Fisch gilt der Steinbutt: melancholisch im Ausdruck, aber gegrillt und serviert mit einer Sauce Béar- naise beschert er dem Gourmet ein privates kulinarisches Weltereignis. Und selbst der inzwischen wie ein Hühnchen des Meeres gezüchtete Lachs kann noch erfreuen – beispielsweise als „Saumon soufflé“, dem legendären Klassiker von Paul Haeberlin im elsässischen Dreisternelokal „L’Auberge de l’Ill“. Dennoch ist nur die Forelle kammermusikalisch verewigt worden, und zwar von Franz Schubert im „Quintett A-Dur“ für Klavier, Violine, Viola, Violincello und Kontrabaß, auch „Forellenquintett“ genannt. Das beschwingt und lebhaft einset- zende Lied („In einem Bächlein helle…“) würdigt einen Fisch, der in zweierlei Qualität vorkommt: gezüchtet und wild. Was millionenfach in Teichen und sogenannten Zuchtfarmen gemästet wird, ist feinschmeckerisch nicht von besonderem Belang. Zuchtforellen schmecken meist bieder, es fehlt ihnen das zarte und zugleich herzhafte Aroma ihrer wildlebenden Schwestern. Deren Gout lässt sich mit Worten so unzulänglich beschreiben wie etwa ein Adagio von Schubert, aber beides kann man erfühlen. Letzteres an einem milden Sommerabend, wenn die Glühwürmchen ihre Hochzeit- stänze fliegen, die echte Bachforelle natürlich beim Essen.

Naturgemäß wird die schwarzgrünlich und rot getupfte Bachforelle von Kennern weit höher geschätzt als die 1872 aus Nordamerika importierte Regenbogenforelle, die am stumpfschnauzigen Kopf mit dem hakenförmigen Unterkiefer und dem rötlichen Streifen zu erkennen ist, der sich längs der Flanken hinzieht. Was heute im
Handel sowie in Restaurants schlicht unter Forelle, nicht selten freilich auch fälschlich als Bachforelle angeboten wird, ist hauptsächlich die Regenbogenforelle. Sie schmeckt nicht übel, doch niemals so deliziös wie die auch „kleine Tänzerin“ genannte Bachforelle, die nur in kühlen, absolut sauber fließenden Gewässern gedeiht. Sie ist temperamentvoll, scheu und eigensinnig, was Angler, zumal nach erfolgloser Jagd, als launisch mißverstehen. Die beste Saison für die Bachforelle beginnt im Frühling und zieht sich bis in den Juli hinein; in dieser Zeit hat ihr Fleisch das feinste Aroma.

Die küchentechnische Behandlung so einer originalen Bachforelle ist eine Stimmungsfrage.
Forellen sind vielseitig zuzubereiten. Das Idealgewicht liegt bei 300 bis 400 Gramm. Nach Art der Müllerin wird sie erst durch – leicht gesalzene und ge- pfefferte – Milch gezogen, dann in Mehl gewendet, in heißer Butter goldbraun gebraten, mit Zitronensaft beträufelt, mit gehackter Petersilie bestreut und mit brauner Butter oder Remouladensauce aufgetischt. Zart geräucherte Forellen sind eine Köstlichkeit, und apart schmeckt die Forelle à la vinaigrette: blau gekocht und eingelegt in eine Kräutersauce.
Von Raffinesse kündet das Forellenmus auf roter Buttersauce: Filets mit Salz, Pfef- fer und einem Hauch Muskatnuss würzen, in den Mixer geben und etwa zwei Minuten lang pürieren. Das Weiße von einem Ei (pro Forelle) sowie löffelweise 150 ml Crème double hinzufügen, ferner einen Eßlöffel frisch gehackten Estragon. Die pürierte Masse nun in vier ausgebutterte Formen füllen und im Wasserbad bei 190 Grad im vorgeheizten Ofen garziehen lassen. Zwischenzeitlich für die Sauce 200 ml Rotwein (Blauburgunder, Blaufränkisch, Zweigelt), 100 ml Noilly Prat und 10 g gehackte Schalotten einkochen lassen, 60 g eiskalte Butter flockenweise hineinrühren, mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die Sauce auf heiße Teller gießen und darauf das Forellenmus stürzen.

Es versteht sich, dass für solche, das Eigenaroma des Fisches leicht bis deutlich verfremdende Rezepte auch das Fleisch der Regenbogenforelle taugt. Ganz anders sieht es beim großen Klassiker aus, nämlich der „Forelle blau“. Für diese puristische Zubereitung kommt nur die Bachforelle in Frage. Dazu bereitet man einen Sud aus Wasser, Weißwein, Essig, Salz, Pfefferkörnern, Zwiebeln, Karotten, Petersilienwurzeln, Sellerie und einem Lorbeerblatt, der etwa eine halbe Stunde sanft köcheln soll, bevor man ihn aufwallen und die Forelle, die ausgenommen und behutsam gesäubert, aber nicht nicht gewaschen wurde, damit der kostbare, das appetitliche Blau verursachende Hautschleim nicht verloren geht, hineingleiten lässt. Sofort die Hitze wegnehmen und die Forelle circa fünf bis sechs Minuten in dieser Courtbouillon ziehen lassen. Wenn die Haut aufreißt, ist dies ein Zeichen für frisch gefangenen Fisch.

Die Noblesse der Forelle blau liegt in der Kunst des Weglassens. Der Geschmack des Fisches kommt bei dieser Präparation am reinsten zur Geltung, denn nichts verfälscht das natürliche Aroma. Entspre-
chend zurückhaltend wird der Meister oder die Meisterin der Küche beim Anrichten vorgehen. Zerlassene Butter und kleine Kartoffeln, eventuell als Alternative eine Sauce Hollandaise werden die leckerste Begleitung sein.

Was das Getränk anbelangt, so kommt nur Wein in Frage: kraftvolle Gewächse bei der Forelle Müllerin (Grüner Veltliner, Sauvignonn blanc, Weißburgunder, auch ein trockener roter Burgunder oder Blaufränkisch paßen vorzüglich zu gebratenem Fisch). Der Röstprozeß beim Braten gibt der Forelle einen kräftigeren Geschmack – und werden Mandeln mitgebraten, so wird ein statiöser Riesling oder Grauburgunder (Typ Spätlese) ebenso angemessen sein wie ein fein strukturierter Rotwein, der allerdings nicht oder nur sehr zurückhaltend in neuem Holz (Stichwort: Barrique-Ton) ausgebaut worden sein sollte. Doch zur Königsdisziplin, der Forelle blau, geht nichts über einen eleganten Riesling. Das ergibt ein Essen, bei dem sich die Seele wohlig dehnt und man das Gefühl hat, dass rings um einen alles Bejahung ist.

 

(FINK Magazin, August F. Winkler)