Freisinger Barbiere, Bader, Hebärzte und Hebammen
Neues Buch über das Gesundheitswesen in Freising in alter Zeit
Über das Medizinwesen in Freising ist nur wenig bekannt. Wir wissen, dass in Freisinger Dokumenten in der Zeit zwischen 1212 und 1216 ein „Hainricus rasor“, also ein Bader Heinrich, genannt wird. Später gab es in unserer Bischofsstadt fünf Bäder. Sie hießen Hochscheinbad, Oberbad, Mitterbad, Angerbad und Wildbad. Wollte jemand Bader, Barbier oder Wundarzt werden, musste er vorschriftsmäßig eine Prüfung ablegen und die Bewilligung des zuständigen Stadt- und Landphysikus erhalten. Die Bader bekamen das Bürgerrecht und waren in einer eigenen Zunft zusammengeschlossen. Die schöne Zunftlade von 1692, die sich heute im Stadtmuseum Freising befindet, erinnert noch daran. 1598 hatte der Fürstbischof Ernst von Bayern eine eigene Baderordnung bestätigt, deren Neufassung 1621 vom Fürstbischof Veit Adam von Gepeck genehmigt wurde. Eine erweiterte Fassung von 1692 umfasst 26 Artikel, die den Alltag des Baderhandwerks, die handwerklichen Pflichten und Rechte und das soziale und religiöse Leben regelten.
Am Mittwoch und Samstag konnten die Freisinger ein Bad nehmen. Ausgenommen waren Festtage wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten. Wenn Seuchen oder Epidemien im Lande grassierten, mussten die Bäder gesperrt werden.
Die Barbiere und Bader boten nicht nur Bäder an, sondern waren auch zuständig für das Schneiden der Haare und das Scheren der Bärte. Sie übten auch andere Tätigkeiten aus, die der Gesundheit dienten. So durften sie chirurgische Eingriffe wie Amputationen vornehmen, Wunden behandeln oder Zähne „brechen“ (reißen). Doch war es verboten, bei Schmerzen Narkosemittel anzuwenden. Die Betäubung erfolgte lediglich mit Alkohol oder Opium, das aus Mohn gewonnen wurde. So ist in Neustift um 1600 der Mohnanbau belegt. Zur stationären Behandlung betrieben die Bader im 18. Jahrhundert sogar eine Art Kleinkrankenhaus. Oftmals spezialisierten sich die Wundärzte und waren als „Schnittärzte“ (Stein- und Bruchschneider), als „Okulisten“, die Staroperationen vornahmen, oder als „Zahnbrecher“ (Zahnärzte) tätig.
Im 18. Jahrhundert traten oftmals auf Jahrmärkten und Dulten auswärtige Quacksalber auf und boten ihre fragwürdigen Dienste an. Sie verkauften allerlei wirkungslose Heil- und Wundermittel wie Pillen, Salben, Balsam und sonstige Essenzen. Übrigens gab es damals schon das Allheilmittel Karmeliter- oder Melissengeist.
Eine oft unzureichende Ausbildung führte immer wieder zu misslungenen oder gar Tod bringenden Behandlungen. 1751 brachte der Attenkirchner Schulmeister Joseph Kornmüller seine Tochter nach Freising zum Hof- und Stadtarzt Thomas Frauenrieder, um sie „wegen des übel gebildeten abscheulichen Mundes“ behandeln zu lassen. Das Aussehen des Mädchens war nach der Operation „noch hässlicher als zuvor“. Weil der Schulmeister das Honorar von achtzehn Gulden nicht bezahlen wollte, wurden der Pflegkommissar von Moosburg, der Freisinger Hofrat und der Hofmarkrichter von Attenkirchen eingeschaltet, um den Fall zu regeln. Ob der unfähige Operateur das Honorar bekommen hat, ist nicht bekannt.
Im April 1770 behandelte der Hof- und Oberbader Joseph Dopplicher den 89jährigen Torwärter Andre Kumpfmüller wegen einem Katarrh und Husten, die er sich im Winter zugezogen hatte. Trotz der Anwendung mehrerer Mittel starb der Torwärter. Die beiden Töchter des Verblichenen gingen vor Gericht. Der Arzt wurde zu einer Strafe von zehn Reichstalern und einem Verweis verdonnert. Weil aber der Stadtphysikus Dr. Maximilian Sänfftl als Gutachter feststellte, eine Lungenentzündung und eine „durch das hohe Alter bedingte Schwäche und kranke Natur“ hätten zum Tod geführt, wurde dem Hof- und Oberbader Joseph Dopplicher die Strafe erlassen.
Auch die Hebammen und Hebärzte waren für die Gesundheit der Freisinger Frauen zuständig. Da es keine eigene Ausbildungsordnung gab, mussten sie wenigstens einen Eid schwören, bevor sie als städtische Angestellte arbeiten durften.
Der vielen noch bekannte Freisinger Heimatforscher und ehemalige Schulrektor Karl Mayer (1918-2003) hat sich anhand von zeitgenössischen Dokumenten mit den Freisinger Badern und Hebammen beschäftigt und darüber ein Buch geschrieben, dessen Manuskript er während eines Krankenhausaufenthaltes dem damaligen Chefarzt der Inneren Abteilung des Freisinger Klinikums Professor Dr. Josef Phillip zur Begutachtung übergeben hat. Doch nach seinem Tod war das Manuskript verschwunden und tauchte erst nach über 20 Jahren im Stadtarchiv Freising wieder auf. Nun haben Dr. Josef Phillip, sein Sohn Dr. Veit Phillip und der ehemalige Kreisheimatpfleger Rudolf Goerge das Opus für den Druck bearbeitet und herausgegeben. Die reiche Bebilderung steuerte größtenteils der Stadtarchivar Florian Notter bei. Dieses lesenswerte Werk beleuchtet erstmals gründlich und spannend einen wichtigen Aspekt der Freisinger Medizingeschichte.
112 Seiten mit zahlreichen Abbildungen.