Asparagusissimo, a flattery of the palate

Lang war der Winter und hart die Entbehrung. Der Feinschmecker hat sich beherrscht und den Lockungen widerstanden, Spargel aus südlichen Ländern zu kaufen. Die Weltwirtschaft macht’s möglich, jedes Produkt das ganze Jahr über zu bekommen. Die Saison, nach der unsere Eltern noch lebten, gibt es in diesem Sinne nicht mehr. Aber Mutter Natur lächelt weise, denn sie weiß: Spargel schmeckt am besten, wenn man ihn am selben Tag, an dem er gestochen wird, auch isst. Und so lauerte man mit der Sehnsucht des Liebenden auf die ersten heimischen Stangen, was nichts mit Deutschtümelei, sondern viel mit Feinschmeckerei zu tun hat.

Leider gibt es nur wenige Köche, die diesem Edelgemüse den gebührenden Respekt erweisen. Statt den „Asparagus officinalis“, wie er bei den Botanikern heißt, solistisch einzusetzen, wird er mit Schinken, Steaks, Langusten, Lachs, sogar Käse und dicken Tunken befrachtet. Das gleicht einem kulinarischen Verrat, denn abgesehen davon, dass solche üppigen Kombinationen oft langweilig oder lediglich protzig sind, degradieren sie den Gemüsekönig zur Beilage, zur Staffage für Fisch und Fleisch. Der wahre Gourmet will den Spargel exklusiv. Er soll im Mittelpunkt der gastronomischen Inszenierung stehen und nicht wie Trixie als dritte von rechts im Ballett.

Cato, der Römer, hat den Spargel immerhin als „Schmeichelei des Gaumens“ gepriesen; er aß ihn, gekocht, in Stücke geschnitten und mit Honig gesüßt, als eine Art Kompott zu Pasteten. „Unsagbar schön“ fand Jean Paul den puren Spargelgenuss, während vom Kollegen Nikolaus Lenau überliefert ist, dass der auf einen Sitz „50 solcher Kirchtürme“ verputzte. Jonathan Swift und Immanuel Kant spargelten mit Leidenschaft. Maler wie Edouard Manet, Max Slevogt, Markus Lüpertz,
selbst Andy Warhol huldigten dem Spargel bildlich. Und Goethe war wild auf frischen Spargel, dem er bevorzugt mit seiner geliebten Grünen Soße zusprach.

Mit Spargel lässt sich in der Küche vieles anstellen, es hängt einzig von der Tageslaune ab, welche Sorte man wie zubereitet. Am beliebtesten in heimischen Esszimmern ist immer noch der weiße Spargel, der seine jungfräuliche Farbe behält, weil er in der Erde wächst. Etwas herber schmeckt sein bläulich bis violett angelaufener Vetter – die Verfärbung kommt durch das Licht, wenn mit dem Ernten gewartet wird, bis der Spargel die Erde durchbrochen hat. Oberirdisch wächst der grüne Spargel, der, dem superschlanken wildwachsenden Asparagus ähnelnd, ein besonders würziges Aroma hat und zunehmend Freunde gewinnt.
Wichtig ist, dass der Spargel lebensfroh glänzt. Die Enden sollen hell und saftig sein, die Köpfchen geschlossen und verheißungsvoll müssen die Stangen knistern, reibt man sie aneinander. Sind die Stangen gelb, gar bräunlich verfärbt, trocken und rissig, sollte man die Hände davon lassen.

Grüner Spargel braucht nur am unteren Drittel dünn geschält zu werden. Er kommt – je nach Dicke – mit zehn bis fünfzehn Minuten Kochzeit aus, wogegen weißer Spargel einige Minuten länger ziehen muss. Aus den abgeschnittenen Enden und den Schalen wird mit Wasser, Salz, einer furchtlos bemessenen Prise Zucker und einem nussgroßen Stück Butter (nach Belieben plus einem Glas Weißwein) etwa eine Viertelstunde lang ein Sud gekocht, in dem die Spargelstangen gebündelt und mit den Köpfen nach oben gar geköchelt werden (ein Tipp: der Sud lässt sich erneut verwenden und schließlich als Suppe auftischen).

Wenn der Spargel gar ist, was die Gabelprobe entscheidet – perfekt gekocht, biegt er sich leicht, wirklich nur ganz leicht durch -, wird er auf eine aufgewärmte Tuchserviette gelegt, trocken getupft und ohne Verzögerung in einer heiß gehaltenen Schüssel aufgetragen. Aber bitte nicht zugedeckt, denn unter einem Deckel würde der Dampf auf den Spar- gel zurückschlagen, ihn wässrig machen und gnadenlos die Sauce Hollandaise verhunzen, die, flankiert von Pellkartoffeln, eine ebenso klassische wie köstliche Begleitung zu weißem Spargel ist. Köstlich schmeckt Spargel auch lauwarm mit einer Vinaigrette aus feinem Essig, Olivenöl, etwas Weißwein, Salz, Pfeffer sowie einem Hauch Zucker.
Originell ist die Variante, über die Spargelköpfe das Gelbe eines sehr weich gekochten Eies fließen zu lassen und mit geriebenem Muskat zu würzen. Spargel, grün und weiß gemischt, schmeckt als Vorspeise auch roh, in Scheiben geschnitten und mit einer Vinaigrette mariniert. Klassisch ist die Version mit geschmolzener Butter. Im Münchner „Tantris“ gibt es weißen Spargel, leicht gesalzen, gezuckert und mit reichlich Butter in der Folie gedünstet (ca. 45 Minuten im 200 Grad heißen Backrohr), aufgetischt mit wachsweich pochierten Eiern. Wonne beschert ein Spargelrisotto, wie wir es vom genialen Dreisternekoch Heinz Winkler in seiner wunderschönen „Residenz“ im bayerischen Aschau kennen.

Delikat ist die Kombination zwischen einem hocharomatischen Weißwein à la Chardonnay, Grüner Veltliner oder Grauburgunder zu einem Gericht, das einst Gerhard Gartner im noblen „Gala“ in Aachen kreiert hat: Gartner wärmt eine gehackte schwarze Trüffel in zwei Esslöffel Kalbsjus an, mengt behutsam eine Hollandaise von zwei Eidottern und 150 Gramm flüssiger Butter plus etwas Sahne darunter, erwärmt diese Liaison noch einmal kurz, schmeckt mit Madeira, Zitrone, Salz, Pfeffer ab und reichert damit den gekochten weißen Spargel an. Das ist eine feine Vorspeise für ein festliches Menü und geeignet, selbst dem abgebrühten Spargelesser eine neue Geschmacksdimension zu eröffnen.

Einerlei ist, wie man den Stangen zu Leibe rückt. Die einen tun’s nur mit nackten Fingern, andere mit dem Messer, was gesellschaftlich längst nicht mehr als unfein geahndet wird, seit die Klingen aus Edelstahl sind und der Spargel dadurch keinen Eisengeschmack annimmt.
Das Staunen lehren einen eher Gäste wie jener katholische Pfarrer, der auf einem Schloss im Rheingau zum Spargelessen eingeladen war und, als ihm, dem Ehrengast, die Silberplatte mit den Stangen als erstem vorgelegt wurde, mit einem Messer ungeniert sämtliche Köpfe absäbelte, auf seinen Teller häufte und zum Hausherrn sagte: „Ei wisse Sie, Herr Graf, die Köpfe sind das Beste.“

(FINK, August F. Winkler)

Steckbrief Spargel

Saison:
Von Ende April bis 24. Juni, dem Johannistag. Aus südlichen sowie überseeischen Anbaugebieten gibt es ihn das ganze Jahr über.

Arten:
weiß, violett (leichter Bitterton), grün (besonders würzig). Intensiv schmeckt der komplett violette „Albenga“-Spargel.

Aufbewahrung:
Wenn schon, dann kühl und in ein feuchtes Tuch gehüllt.

Wert:
Reich an Vitaminen (A, C, B1, B2) und Mineralstoffen (Calcium, Phosphor, Kalium). Sehr kalorienarm: 16 bis 20 pro 100 Gramm (70 bis 76 Joule).

Gesundheit:
Gilt als Diabetikerkost, regt den Stoffwechsel an und soll blutreinigend wirken. Die Asparaginsäure wirkt entwässernd, angeblich auch aphrodisierend.

Drink:
Zwei Stangen gekochter weißer oder grüner Spargel mit 0,5 cl frisch gepresstem Zitronensaft, 8 cl Rinderbrühe, 4 cl Spargelsud, etwas Salz, Pfeffer, Zucker und frischem Kerbel mit Eis mixen, nachwürzen und in ein hohes Glas füllen.

Museum:
1985 ist im bayrischen Schrobenhausen das deutsche Spargelmuseum eröffnet worden. Jährlich wird eine Spargelkönigin gekürt.